Leseprobe 2
Auszug Kapitel 34
Sommer 1942
Der Lieferwagen war schon von weitem zu hören, so ruhig war es im Wald rund um den Hof. Frieda war am Tag davor von Friedrich benachrichtigt worden, dass heute eine erste Lieferung von Waren ankommen würde. Slawek und sie hatten bereits gleich an dem Tag, nachdem Weisheimer und Friedrich bei ihr gewesen waren, damit begonnen, das Versteck, das sie für die Lagerung der ganzen Sachen ausgesucht hatten, zu säubern. Sie hatte den Boden außerdem mit Holzplanken versehen, damit die Kisten samt ihrem Inhalt nicht auf dem puren Lehmboden stehen mussten und möglicherweise durch eindringende Feuchtigkeit beschädigt wurden. Auf sie war schließlich Verlass. Es war also alles vorbereitet. Seitdem waren zwei Wochen vergangen und Frieda hatte sich schon gefragt, wann es mit ihrer Aufgabe denn endlich losgehen würde.
Umso glücklicher war sie gewesen, als Friedrich sie besucht und gebeten hatte, sich bereit zu halten. Das Versteck lag etwas unterhalb des Hauptgebäudes und war durch eine schwere Eisentür, die durch ein zusätzliches Schloss gesichert war, erreichbar. Im Keller selbst führte eine weitere Tür in das eigentliche Versteck. Damit man die geheime Tür nicht sofort entdeckte, hatten Slawek und sie ein großes Regal voll mit Einmachgläsern mit Pfirsichen, Kirschen, Gurken und Marmeladengläser davorgestellt. Frieda war es wichtig, dass die Lieferung, die sie erwartete, gut geschützt und sicher war, denn sie ahnte bereits, dass es sich dabei um etwas Besonderes, vielleicht sogar Geheimes handelte. Und niemand sollte davon erfahren. Bei dem Gespräch mit Friedrich und Weisheimer hatte sie sich nicht getraut, zu fragen, was die Kisten enthielten. Irgendwann würde sie das schon erfahren, hatte sie damals gedacht. Hauptsache, sie konnte der Partei helfen und einen Beitrag leisten. Es würde schon alles seine Richtigkeit haben.
Der Wagen rollte bereits auf das Grundstück und Frieda schaute interessiert zu, wie der Fahrer, ein junger Bursche, nicht viel älter als Slawek, das Fahrzeug auf ihren Hof manövrierte. Der Wagen blieb stehen und der Fahrer stieg aus. Zwei weitere junge Männer kletterten von der mit einer Plane verschlossenen Ladefläche herunter und kamen auf sie zu.
»Wir bringen das Material«, sagte der Fahrer zu Frieda. »Wir sind doch richtig hier, oder?«
»Ja, Sie sind richtig. Wenn Sie mir bitte folgen würden.« Frieda zeigte ihm den Weg und die zwei Männer von der Ladefläche fingen an, Holzkisten abzuladen.
»Der Raum ist ideal«, stellte der Fahrer nach Begutachtung der Räumlichkeiten fest und ging zurück zum Wagen, um den Männern zu signalisieren, dass sie weiterhin abladen und die Kisten in den Keller bringen konnten.
»Ja, ich hoffe, das passt so«, sagte Frieda. »Darf ich Sie fragen, wann die Kisten denn wieder abgeholt werden?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, junges Fräulein. Da wird man sich bei Ihnen melden.«
»In Ordnung.«
Frieda war einige Minuten später erstaunt, dass die zwei Männer von der Ladefläche immer noch mit Abladen beschäftigt waren. Insgesamt mussten es mehr als zwanzig Kisten sein, manche lang und schmal, andere hoch und sperrig. Die Kisten waren alle zugenagelt und mit dem Hakenkreuz der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei versehen. Frieda war aber noch nicht ganz zufrieden mit der Antwort des Fahrers und fragte weiter: »Die Kisten mit dem Material, wie Sie es nennen, sollen doch weiter nach München. Wissen Sie, was dort dann mit ihnen geschieht?«